5. Dezember 2011

Groundhopping in Augsburg und Winterthur

Vorletztes Wochenende war wieder einmal eine kleine Tour für den Fussball geplant. Da in der Schweiz eine Cup-Runde anstand, in welcher uns Berner der unterklassige FC Winterthur zugelost wurde und das Spiel auf Sonntag festgesetzt wurde, suchten wir im nahen Ausland nach einem Spiel, welches uns auch gleich einen neuen Ground einbringen würde. Fündig wurden wir dann in der 1. Bundesliga mit dem Aufsteiger FC Augsburg gegen die VW-Werksmannschaft aus Wolfsburg, welche wir bereits Anfang Jahr beim SC Freiburg gesehen haben. Die Frage des Übernachtung-Ortes wurde auch fast selbstständig geklärt, da ein Besuch im Hard Rock Cafe in München ebenfalls auf unserer Wunschliste stand.

Los ging es am Samstagmorgen früh um 8 Uhr. Mit vollem Tank, leerem Magen und Vorfreude auf das Weekend fuhren wir Richtung Osten. Erster Halt wurde der berühmte Fressbalken in Würenlos, wo wir kurz unser "Frühstück" einkauften. Weiter ging es um Zürich und durch die Ostschweiz bis zur Grenze in St. Margreten und dem ersten Tankstopp (man will ja nicht das teure ausländische Benzin im Tank). Um weiter Geld zu sparen, verzichteten wir auf der kurzen Strecke durch Österreich auf die Autobahn (Vignetten-Pflicht und häufig Kontrollen) und rollten durch Bregenz hindurch, wo man zum Teil komische Autoschilder zu sehen bekommt. Immerhin wissen wir nun, was das Hobby dieser Fahrerin ist...


Auch in Österreich wird Zumba getanzt
Kurz darauf brausten wir mit 180km/h über die deutsche Autobahn und sahen das erste Etappenziel näherkommen: Augsburg. Die süddeutsche Stadt ist den meisten sicher aufgrund des Puppentheaters "Augsburger Puppenkiste" ein Begriff, welche sich für die bekannten (Fernseh-)Produktionen wie "Urmel" oder "Jim Kopf" verantwortlich zeigt. Uns blieb jedoch praktisch keine Zeit für Sightseeing, da wir nach einem kurzen Mittagsmahl und einem Einkauf im Lidl, wo die wohl längste Flugreise aller Zeiten angeboten wird (siehe Bild unten), bereits weiter zum Stadion reisten. Dabei kreuzte unser weg auch das alte Stadion des FC Augsburg, das Rosenaustadion. Jedem wahren Fussballfan wird es beim Anblick solcher Stadien richtig warm ums Herz, denn hier lebt der ursprüngliche Geist vom Fussball. In Anbetracht all dieser neuen Konsum-Tempel welche als Stadien verkauft werden, wünscht man sich häufig die alten Zeiten zurück.

6-tägige Flugreise?! Hoffentlich mit Zwischenlandungen...
In genau so ein neues Stadion führte uns jedoch nun unser Weg. Die im 2009 "SGL arena" (mittlerweile bereits der dritte Stadionname nach "Augsburg Arena" und "impuls arena") steht südlich weit ab der Stadt, also sehr typisch für solche neuen Stadion-Projekte. Der grosszügige Parkplatz vor dem Stadion machte zuerst Freude...
Das Stadion selber macht von aussen nicht wirklich viel her, besser gesagt es ist hässlich und hat keinen eigenen Charakter. Teilweise erinnert es (nicht nur dem Namen nach) an die AFG Arena in St. Gallen. Positiv hat mir jedoch gefallen, dass so wie ich das gesehen habe sämtliche Heimsektoren von jedem Eingang erreichbar sind, ähnlich wie in der Allianz-Arena in München. Nachdem man den Eingang und den sehr rudimentären Sicherheitscheck passiert hat, befindet man sich in einer Art Vorplatz der um das Stadion geht und überall dann die entsprechenden Tore zu den Sektoren offen sind. Das Innern des Stadion ist um einiges interessanter als die Äussere vermuten lässt. Die bodenebenen Eingänge befinden sich ca. auf einem Drittel der Höhe der Plätze, dass heisst dass der Platz "unterirdisch" ist. Ein für mich interessantes Baumerkmal für Stadien. Das Dach der Arena ist ziemlich tief gehalten, was für eine gute Akustik sorgt (wie z.B. im Stade de Genève). Zudem ist das ganze Stadion sehr steil gebaut, was den Eindruck eines Kessels noch mehr verstärkt. Auch positiv ist der Stehplatz-Bereich im Stadion aufgefallen, denn die gesamte Nordkurve ist von den Sitzen befreit.

Panoramaansicht des Stadions vor Spielbeginn

In diesem Bereich steht auch der Kern der FCA-Fans und Supporten ihre Mannschaft. Persönlich hatte ich jedoch denn Eindruck, dass der wirklich harte Kern, also die Ultràs, ein ziemlich überschaubares Grüppen sind. Direkt über dem Eingang in der Mitte platziert sieht man sie gut durch ihre Fahnen, die einzigen welche in diesem Sektor und im ganzen Stadion geschwungen werden. Der Rest der Nordtribüne ist wohl mit Modefans und Kutten bevölkert, welche sich jedoch verhältnismässig gut für den Support motivieren lassen. Auch der Zuschaueraufmarsch war doch einigermassen passabel für den Tabellenletzten, der bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Heimsieg in der obersten Liga feiern durfte: In die 30'660 Plätze grosse Arena pilgerten an diesem Samstag gemäss Stadionspeaker 29.110 Fussballbegeisterte. Gleichzeitig wurde auch der millionste Besucher seit der Eröffnung. Einzig der Gästesektor war ziemlich leer, was aber wohl auch mit der Distanz von ca. 620 km zwischen Wolfsburg und Augsburg zusammenhängt. Zeitweise glaubte man mehr Zaunfahnen als Wolfsburger im Sektor zu sehen... Dafür gab es beim Warmlaufen einen WTF-Moment für uns, als in voller Lautstärke das Vereinslied des VfL Wolfsburg aus den Boxen dröhnte.  

Supportmässig erwarteten wir grundsätzlich nicht viel und behielten grösstenteils recht. Die Nordkurve wurden vor dem Spiel einige Spruchbänder gezeigt, welche sich auf die von der Stadt Augsburg beschlossenen Budgetkürzungen, welche unter anderem die Fanarbeit betreffend, kritisierten. Zum Intro gab es von Seiten FCA noch eine nette, kleine Choreo rund um die Ultràs. Danach sah und hörte man 90 Minuten von beiden Seiten nur noch Standard-Kost in ziemlich bescheidener Lautstärke.

Passend zum Support wurde auch auf dem Feld keine Glanzleistung gezeigt. Über weite Strecken dominierte zwar die Heimmannschaft das geschehen, konnte sich jedoch selten in eine gute Abschlussposition bringen und wenn doch, verschossen die Spieler den Ball kläglich. Das viel zitierte Abschlussglück fehlten den Augsburgern in der ersten Halbzeit ähnlich wie dem BSC Young Boys in den letzten 4-5 Spielen. In der zweiten Hälfte gelang es den Gastgebern jedoch nach 65 Minuten endlich das Runde in das Eckige zu befördern. Eine Erlösung für die Bayern und der KO-Schlag für die Wolfsburger. Gekrönt wurde der Erfolg zudem in der letzten Minuten durch das zweite Tor der Augsburger, welchen den Fans neben dem allerersten 1. Heimsieg auch noch 100 Liter zusätzliches Freibier für die Saisonabschlussparty bescherte. Die auffälligsten Spieler in meinen Augen waren Lorenzo Davids auf der Heimseite und Torwart Diego Benaglio beim VfL: Während der Cousin des ehemaligen Mittelfeldstars der niederländischen Nationalmannschaft Edgar Davids auf ebendieser Position ein tolles Spiel ablieferte (und den Titel Mittelfeld-Regisseur dadurch verdient hat) zeigte die Nummer 1 im Schweizer Nati-Tor wieder einmal sein hässliches Gesicht. Benaglio provozierte mit unnötigem Zeitspiel, langer Behandlungszeit nach einem Foul und sonstigem nervigen Diven-gehabe die Heimfans und auch uns Groundhopper.

Nach dem Spiel zeigte sich nun das wahre Gesicht des eigentlich sympathischen Parkplatzes vor dem Stadion... es war das reinste Chaos. Von allen Seiten her ergossen sich die Fahrzeuge auf die einzige, einspurige Ausfahrtsstrasse. Ach auf den Parkplatzbereichen selber herrschte Anarchie pur, den die eigentlichen Verbindungssträsschen wurden grosszügig ausgelegt, so dass schlussendlich bei der Ausfahrt auf die ob genannte Strasse 5 verschiedene Kolonnen auf eine Lücke warteten. Eine gute halbe Stunde sassen wir auf dem Kiesplatz fest und tasteten und Meterweise vor. Liebe Stadion-Planer, das ginge eindeutig besser zu lösen! Sei es drum, die Reise ging für uns dann noch ca. 40 Minuten weiter in die Landeshauptstadt München, wo wir im Stadtteil Heidhausen im Apartmenthaus "StayMunich" ein Zimmer inkl. Frühstück und Tiefgaragen-Parkplatz reserviert hatten. Ein grosszügiges Zimmer mit 3 Einzelbetten, Bad und Küche in einer sehr ruhigen Lage für 65€ - was will man mehr? Auch das Frühstücks-Buffet am nächsten Morgen war grosszügig und sehr lecker. Definitiv eine Empfehlung für alle die in München übernachten möchten.

Natürlich hatten wir ziemlich Hunger nach diesem langen Tag und so begaben wir uns schnellstmöglich mit Bus und Zug via Ostbahnhof in die Münchner Innenstadt und dort zum Hard Rock Cafe, welches direkt neben dem berühmten Hofbräuhaus liegt. Der obligatorische T-Shirt-Kauf wurde in der Wartezeit auf den Tisch natürlich auch vollzogen und nach dem ausgiebigen Essen war es auch schon ziemlich spät am Abend. Zurück am Ostbahnhof gingen wir noch dem Hinweis nach, dass dort in der Nähe das Ausgangsleben von München tobt. Nach längerem Suchen und umher irren fanden wir dann auch die "Kultfabrik" wo wir uns einen Schlummertrunk genehmigten.

Nach einer kurzen Nacht und einem stärkendem Frühstück ging es am nächsten Morgen früh um 9 Uhr wieder zurück Richtung Schweiz. Nach dem nochmaligen Umfahren der österreichischen Autobahn und einem weiteren Tankstopp in St. Margrethen erreichen wir die letzte Etappe der Reise: Winterthur. Gut eine Stunde vor dem Eintreffen des Extrazug aus Bern blieb genügend Zeit um die Umgebung des Stadions und den Bahnhof in Augenschein zu nehmen. Da ich mir das Gedränge am Stadioneingang ersparen wollte und nochmals zum Auto musste, wartet ich nicht auf den Fanmarsch und begab mich daher frühzeitig zum Eingang des Gästesektors. Was ich hier erlebte, hatte mit Organisation ziemlich wenig gemeinsam. Zusammen mit einzelnen anderen Fans fand ich den Eingang komplett unbewacht und offen vor. Noch während wir diese Situation zu begreifen versuchten, rannte ein hektischer Mitarbeiter in einer roten Jacke des FC Winterthur zu uns und erklärte, dass wir noch nicht rein dürfen und doch bitte warten sollen. Etwas irritiert warteten wir also vor den offenen Türen und beobachteten die Sicherheitsleute bei der letzten Besprechung, während im Hintergrund bereits die Berner Fans zu hören waren. 2-3 Minuten vor deren Eintreffen fuhr der rot-bejackte Mann schliesslich noch sein Privatauto, welches direkt im Wartebereich gestanden hat weg und die Sicherheitsleute stellten die Zäune welche wohl einen Blocksturm verhindern sollten. Da jedoch in dieser Hektik keiner mehr auf mich achtete, spazierte ich ohne Kontrolle und ohne Ticketentwertung in den grosszügigen und langgezogenen Gästesektor hinein. Auch hier war man mit dem Eintreffen der Kurve wohl etwas überrascht, da die Verpflegunsstände ca. 10 Minuten unbewacht im Sektor standen. Selbstbedienung ohne bezahlen so zu sagen.


Stadion Schützenwiese auch zur Halbzeitpause
Zum Spiel selber kann man sich eigentlich jeglichen Kommentar sparen, einzig der Matchbericht auf gaeubschwar.be kann die Wunden ein wenig lindern. Auf der Heimfahrt wurde natürlich noch fachmännisch die Mannschaft und der Staff kritisiert und aufgezeigt, was man alles besser gemacht hätte. Nach fast genau 36 Stunden und 950 Autokilometer waren wir dann endlich wieder zuhause und ich gönnte mir einige Stunden Schlafe, bevor ich am Montag wieder arbeiten ging.