4. Januar 2012

Popcorn #6 - In Time

Während hier zu Lande der Kaffee bereits die 4-Franken-Marke überschritten hat, besteht auch in SiFi-Welt von Hollywood ein ähnliches Problem: "4 Minuten für einen Kaffee? Gestern waren es doch noch 3?!". Doch halt... was hat hier die Zeiteinheit Minuten im Kontext mit einer Währung zu suchen? Ziemlich viel - sofern es sich um den neuen Triller "In Time" von Andrew Niccol (Gattaca, The Truman-Show, Terminal, Lord of War) handelt.

Im neusten Film des neuseeländischen Drehbuchautor und Regisseur spielt, entsprechend dem Filmtitel, die Zeit eine wichtige Rolle. In einer nicht näher genannten Zukunft ersetzt die Zeit die alten Währungen und baut somit ein ganz neues Wirtschaftssystem auf. Doch wie soll das genau funktionieren? Die Idee ist so einfach wie auch genial: Mit hilfe von Genmanipulation stoppt die Entwicklung und auch der Zerfall des menschlichen Körpers mit Erreichen des 25. Geburtstags. Das heisst konkret, so wie man mit diesem Alter aussieht, bleibt man für den Rest des Lebens. Wie lange dieser Rest ist, bestimmt die zweite und entscheidendere Änderung: eine am Unterarm implantierte Uhr, welche die verbleibende Lebenszeit anzeigt. Diese Uhr zeigt ab der Geburt ein Guthaben von genau einem Jahr an und beginnt ab dem entscheidenden Geburtstag rückwärts zu laufen - so zu sagen ein Countdown bis zum Tot. Ist auf der Uhr nämlich die letzte Sekunde verstrichen, stirbt diejenige Person sofort. Damit man also nicht spätestens zum 26. Geburtstag tot umfällt, ist es wichtig an zusätzliche Zeit zu kommen. Und hier sind wir wieder beim Wirtschaftssystem, den anstatt für Geld arbeitet man nun für Zeit. Jeden Tag nach der Arbeit können die Personen ihren anderen Unterarm in eine Art Scanner halten, welche die verdiente Zeit auf die Uhr überträgt und zur Restzeit dazu addiert. Zum zahlen von Gütern oder Dienstleistungen wird dieser Vorgang umgekehrt. Man trägt also sein Bankkonto jederzeit bei sich und braucht weder Bargeld/-zeit noch eine Plastikkarte. Zeit kann aber auch direkt an andere Menschen übertragen werden, indem man sich an den Armen berührt und die gewünschte Menge direkt auf die Uhr des Gegenübers überträgt oder nimmt. Dieser Vorgang erinnert eher wieder an den einfachen Transfer von Bargeld und ist auch gleich Diebstahl anfällig. Wer also nicht immer all seine Zeit bei sich tragen möchte, hat die Möglichkeit diese in sogenannten Zeitkapseln zwischen zu speichern. Diese an externe Festplatten erinnernde Kapseln können mit einer beliebigen Anzahl Zeit aufgeladen werden und danach z.B. sicher in einem Safe oder einer Bank verstaut werden. Da Krankheiten nicht mehr existieren, ist die einzig andere Art aus dem Leben zu scheiden (nebst einer abgelaufenen Lebensuhr) ein Unfall. Stirbt man durch diesen, ist die Restzeit auf der Uhr jedoch für immer verloren und kann von niemandem mehr abgesogen werden.

Lebensuhr mit einer Restzeit von 1 Jahr, 12 Minuten und 50 Sekunden

Ideale Voraussetzung für eine perfekte Welt in der jeder das ewige Leben erreichen kann? Sollte man meinen, doch leider trügt hier der Schein dieser Glitzerwelt erheblich. Den obwohl jeder Mensch, ganz gleich welches Geschlechts, Rasse, Religion, usw. die gleichen ob genannten Grundvoraussetzungen hat, gibt verschiedene Gesellschaftsschichten welche sich teilweise massiv unterscheiden. Anders als in der heutigen Zeit sind diese Schichten jedoch klar voneinander getrennt. Die Welt wurde neu aufgeteilt und in Zeitzonen aufgeteilt, in denen die jeweiligen Schichten leben. Theoretisch ist es jeden erlaubt, andere Zonen zu betreten und dort zu leben, was in der Praxis aber praktisch unmöglich ist. Zwischen den einzelnen Zonen gibt es Grenzen welche nur gegen meist massive Gebühren übertreten werden können. Zudem sind die Lebenshaltungskosten den jeweiligen Ghettos angepasst, weshalb sich niemand den Aufenthalt in einer höheren Zeitzone leiste kann.

In einer dieser niedrigen Zeitzonen lebt der Fabrikarbeiter Will Salas (Justin Timberlake), der buchstäblich von Tag zu Tag lebt, da er meistens knapp 24 Stunden auf seiner Uhr übrig hat. Er lebt zusammen mit seiner Mutter Rachel (Olivia Wilde) in Dayton. Da wie bereits erwähnt niemand älter als 25 Jahre aussieht, hält man Rachel zuerst für seine Freundin, was eine herrliche Verwirrung hervor ruft.
Zusammen mit seinem Kumpel Borel (Johnny Galecki) stellt er in der Fabrik die oben erwähnten Zeitkapseln her und erhält hierfür die täglich seinen Lohn überwiesen, damit er auch am nächsten Tag noch arbeiten kommen kann.
In einer Bar trifft Will auf einen "Zeitmillionär", welcher weit über 100 Jahre auf seiner Uhr besitzt, obwohl er auch schon ca. so lange auf der Welt lebt. Grosszügig verteilt er sein Geld in der Bar, was die Aufmerksamkeit der Minute-Man, eine Vereinigung welche nicht genau zugeordnet werden kann, auf sich zieht. Will rettet den Mann Namens Henry Hamilton und erhält als Dank 116 Jahre geschenkt, wodurch sich Henry selber umbringt. Überfordert mit der Masse dieser Jahre, schenkt er seinem Fabrikkollegen erstmals 10 Jahre, welche dieser sofort in der Bar ausgibt und sich dort zu Tode säuft.
Nachdem seine Mutter wegen einer Verdoppelung der Busfahrpreise zu Fuss nachhause muss und Sekunden zu spät auf Will trifft um ihre Uhr aufzuladen, stirbt diese in seinen Armen was ihn komplett aus der Bahn wirft. Er beschliesst in die Zeitzone "New Greenwich" zu gehen, da gemäss Henry Hamilton dort die Reichen wohnen, welche für all die schlechten Lebensumstände verantwortlich sind. Seine Reise durch die Zeitzonen sowie einen beachtlichen Gewinn von 1'100 Jahren beim Pokern gegen den Banker Philippe Weis (Vincent Kartheiser) zieht die Aufmerksamkeit zweier Personen auf ihn: diejenige der Bankertochter Sylvia Weis (Amanda Seyfried) und des Timekeepers Raymond Leon (Cillian Murphy). Zwischen dem Ghetto-Flüchtling und der reichen Tochter entwickelt sich eine Liebesbeziehung, welche nach einer Entführung darin gipfelt, dass sie gemeinsam in die Banken des Weis-Imperiums einbrechen und die gestohlene Zeit den Armen und Bedürftigen verteilen. Dies wiederum versucht der Timekeeper zusammen mit seinen Männern zu verhindern, da sonst das System droht zusammen zu brechen. Besonders da die Zeitkapsel von Philippe Weis, welche mit 1 Million Jahre gefüllt ist, zum Hauptziel der modernen Bonnie und Clyde wird.

Leider vermag der Film genau diesen Plot nicht richtig ins Szene zu setzten. Trotz der tollen Ausgangslage und Idee verkommt der Film vor allem ab der zweiten Hälfte zu einem ideenarmen und schlecht erzählten Action-Film. Zu vieles ist vorhersehbar oder zu unspektakulär, die Geschichte hat keine Höhepunkte oder bietet neues. Die alten Mechanismen und Ideen werden sehr offensichtlich wiederverwendet (Wettlauf zu einem Scanner, da nur noch wenige Sekunden auf der Uhr sind) und das Ende ist enttäuschend und deutet sogar auf einen zweiten Teil hin.
Dem gegenüber steht die knapp erste Stunde des Films, welche den Zuschauer sehr gut in die Welt der Zukunft einführt und die angepassten Wirtschaftssysteme erklärt. Auch werden die Charakter meist gut und verständlich vorgestellt, welche sich jedoch leider selten weiterentwickeln und grösstenteils langweilig und stereotypisch bleiben, was meiner Meinung nach teilweise auch an den Schauspielern liegt.
Der ehemalige *NSYNC-Teenie-Schwarm Justin Timerlake ist für mich persönlich eine gute wen auch nicht perfekte Besetzung des Will Salas. Der Sänger hat sich mit der Schauspielerei ein gutes, zweites Standbein erschaffen in welchem er regelmässig mehr oder weniger erfolgreich seine Brötchen verdient. Nach dem (für mich überraschend guten) Auftritt im Film "Alpha Dog" im Jahre 2006 sowie der Synchronsprecherrolle im dritten Shrek-Film als Artie, rechnete ich nicht wirklich mit einer Rückkehr des Sängers. Doch nun ist "In Time" bereits der 4 grössere Film innerhalb 2 Jahren (neben dem Facebook-Film "The Social Network" und den beiden Komödien "Bad Teacher" und "Friends with Benefits") und ich vermute, dass dies erst der Anfang einer guten Karriere ist. Und ehrlich gesagt sehe ich ihn lieber in Filmen als Sänger...
An der Seite des ehemaligen Mickey-Mouse-Club-Kindermoderators spielt Amanda Seyfried die weibliche Hauptrolle der Sylvia Weis. Die sympathische Blondinne mit den Kulleraugen, welche ebenfalls im Film "Alpha Dog" ihren Durchbruch in Hollywood schaffte, baut in den ersten Minuten, welche sie im Film auftritt, eine geheimnisvolle und interessante Sphäre um Ihre Person auf. Man nimmt Ihr die Rolle als kühl-distanzierte und doch leicht rebellische Millionärstochter gerne ab. Leider entwickelt sich ihr Charakter im Film danach gar nicht mehr weiter. Zu keiner Zeit glaubt man später, dass sie die Überfälle auf die Banken wirklich will und auch nicht dass ihr Leben in Gefahr ist. Hier wurde sowohl von Amanda wie auch vom Drehbuch sehr viel Potenzial verschenkt.

Amanda Seyfried
In den Rollen der beiden "Haupt-Bösewichte" sehen wir den wenig bekannten Vincent Kartheiser als Philippe Weis und Cillian Murphy als Timekeeper Raymond Leon. Letzterer ist uns vor allem als Zombie-Verfolgter in "28 Days Later" und Batman-Gegner Scarecrow in "Batman Begins" in Erinnerung geblieben. An die Qualität des im Fledermaus-Film gespielten Psychiaters reicht die Rolle des Timekeepers jedoch nicht heran. Wie bereits im Film "Inception" sehe ich Murphy nicht als typischen Vertreter des Bösen und hätte mir hier einen Charakterdarsteller mit mehr Format gewünscht, welchen es aber wohl im benötigten Alter nicht gibt. Auch Kartheiser ist keine Idealbesetzung, doch für die Nebenrolle des Bankers reicht es. 
Apropos Nebenrollen: Sowohl Olivia Wilde als Mutter Salas und Johnny Galecki als Borel fand ich sehr gelungen. Wohl auch da ihre Auftritte leider sehr kurz sind, sind ihre Rollen spannend und gut gespielt. Die irisch-amerikanische Schauspielerin Wilde, welche unter anderem in der Serie "Dr. House" mitspielt, überzeugt in der Rolle der jungebliebenen Mutter. Wohl auch da sie in Wirklichkeit sogar 3 Jahre jünger ist als ihr Filmsohn Justin Timberlake. Der hingegen sogar 6 Jahre ältere, in Belgien geborene Johnny Galecki sieht im Film auch einiges älter aus, trotzdem fand ich seinen Auftritt sehr erfrischen. Dies vor allem, da er zurzeit als Physiker Leonard Hofstadtler in meiner Lieblingsserie "The Big Bang Theory" die Hauptrolle übernimmt und ich ihn als Schauspieler sehr schätze.
Die oben angesprochenen Alter der Schauspieler sind ein weiterer Kritikpunkt am Film. Bereits zu Anfang wird uns klar mitgeteilt, dass in dieser Zukunft niemand älter als 25 Jahre aussieht. Trotzdem sieht man einigen Schauspielern und Statisten deutlich die zusätzlichen Jahre dies sie in Wirklichkeit haben an. Das zerstört aus meiner Sicht stark das Bild und die Atmosphäre der Geschichte. Auch sonst ist die Welt stellenweise nicht 100% glaubhaft und schlüssig, und erweckt manchmal nicht den Eindruck einer realistischen Zukunft welche uns drohen könnte. Zu nah sind gewisse Technologien den heutigen, zu ähnlich ist die Welt von morgen der heutigen, obwohl es wohl viele Jahrzehnte benötigt hat so eine Umwelt und Gesellschaft aufzubauen. Obwohl es sich um Science-Fiction handelt, beschränkt sich der technische Fortschritt augenscheinlich nur auf die Lebensuhr und die direkt damit verbundenen Technologien.

Fazit: "In Time" ist ein klassisches Beispiel wie ein guter Trailer Hoffnungen und Erwartungen schürt, welche später der Film nicht erfüllen kann. Die, unbestritten tolle und interessante, Idee der Lebensuhr ersetzt leider nicht ein komplette und fesselnde Geschichte. Andrew Niccol vergibt in diesem Film viel Potenzial in der Geschichte und mit seiner Schauspieler-Auswahl. Trotzdem sollten Interessierte einen Blick auf diesen Film werfen. Hoffen wir die Lebensuhr wird zukünftig in anderen Filmen ebenfalls aufgegriffen, wenn auch nur als Nebenelement.
Auf einer Skala von 1 bis 10 erhält der Film von mir 5 Punkte