16. März 2012

Quo vadis Fussball?!?

Kapitalismus, was hast du nur aus unserer liebsten Freizeitbeschäftigung gemacht? Als ob man als Fussballfan heutzutage nicht schon genug Problem mit der öffentlichen Meinung hat, so werden wir momentan fast täglich mit neuen Skandalbotschaften konfrontiert die weiter über die Pyro- und Gewaltdiskussionen hinaus gehen. Und der Auslöser hier ist immer derselbe: Das Geld!

So mussten wir uns in der Winterpause vom Traditionsclub Xamax Neuenburg verabschieden, der finanziell Schwach von einem Schein-Millionär übernommen wurde und ein halbes Jahr lang totgewirtschaftet wurde. Ähnliche Ungemacht droht Servette Genf und dies bereits zum zweiten Mal innert weniger Jahre. Und dass es beim grossen Streit um den FC Sion und seinem Herrscher Christian Constatin nicht vor allem um Geld geht, wird wohl niemand bestreiten.

Drei aktuelle Beispiele, alle aus derselben kleinen Liga - das ist mehr als erschreckend und verstörend. Den auch in anderen Ländern kämpfen diverse Vereine um das überleben, der finanzielle Druck wird immer grösser. Während die grossen Vereine wie Bayern, Barcelona, Real, Chelsea, ManU, Mailand und Co. durch Ihre nationalen und internationalen Erfolge immer reicher werden, versuchen ihre Ligakonkurrenten sich mit allen Mitteln über Wasser zu halten und den geforderten Standards zu entsprechen. Beispiel Super Leauge: Während sich Basel in der Champions Leauge eine goldene Nase verdient hat (gem. 20min.ch rund 29 Millionen Franken Einnahmen) schlägt sich Lausanne Sport mit einem Budget von ca. 6 Millionen Franken durch das Jahr. Was also tun, wenn man sportlich nicht Erfolg reich sein kann, um das Geld aufzutreiben? Einzelne Investoren kommen selten gut, wie das Beispiel von Bulat Tschagajew in Neuenburg zeigt (Ausnahmen wie Roman Abramowitsch bei Chelsea sind sehr selten).

Eine Möglichkeit wurde in Österreich gefunden, genauer gesagt in Salzburg, denn hier wurde der SV Austria Salzburg vom Energydrink-Hersteller Redbull übernommen. Die Geschichte ist Fussballkennern allgemein bekannt und die europaweiten Reaktionen auch, weshalb ich hier nicht weiter darauf eingehe. Letztes Wochenende konnte ich mir erstmals ein Bild der Situation vor Ort machen. Passend zum Spielfreien Wochenende (eigentlich hätte YB gegen Xamax gespielt!) waren wir auf der Suche nach einem Spiel in der österreichischen Bundesliga (offizieller Name "tipp3-Bundesliga powered by T-Mobile"!!!), damit dieser Länderpunkt nun endlich auch erledigt ist, fanden wir schlussendlich das Spiel Redbull Salzburg gegen Rapid Wien. Ein Blick auf die Zuschauerzahlen der letzten Monate zeigte klar, dass diese wohl das aufregendste Spiel in Salzburg sein musste.



Redbull Salzburg vs. Rapid Wien

Natürlich mit Vorurteile behaftet trafen wir in der Landeshauptstadt ein und fuhren mit einem Shuttlebus zum Stadion. Von aussen fällt einem nebst dem 08/15-Retortenstadion vor allem das allgegenwärtige Firmenlogo auf. Den Besuchern wird klar gezeigt, wer hier das Sagen hat. Im Innern des Stadion wurde es noch schlimmer. In den gesperrten Oberrängen hinter den Toren prangten riesig das Redbull-Logo und ein Spielertrikot, welches wiederum mehr Vereinslogo als Kleidungsstück war. Zudem wurde die ganze Arena mit einer Lichtshow beleuchtet, dass einem die Augen schmerzten. Ausgerechnet an diesem Spiel war auch noch Ladysnight (das kennen wir in Bern doch irgendwie) weshalb vor dem Anpfiff der Hitparadenstar Michel Teló ein Mini-Konzert gab. Nicht nur, dass die Musikanlage sehr laut und qualitativ schlecht war, nein, auch sein Hit "Ai se eu te pego" wurde gleich zweimal vorgetragen. Artig wedelten dabei die zumeist jungen und/oder weiblichen Fans mit dem Sponsoren-Fähnchen (Come on, Red Bulls!) und schauten den Cheerleadern bei ihren unkoordinierten Gehüpfte zu.

Aus selbiger Lautsprecheranlage verkündete kurz darauf der Sprecher, die Stimmung in der Heimkurve sei bereits am überkochen und alle bereit für grosse Spiel, bei dem es um die Tabellenführung für beide Teams ging. Ein Blick in die erwähnte Kurve zeigte jedoch einer mässig gefüllten, muksmäuschen Stille Stehrampe ohne irgendwelche Stimmung. Sehr peinlich... den selbst der nicht schlecht gefüllte Gästeblock war eigentlich nicht laut, jedoch deutlich im ganzen Stadion zu vernehmen. Immerhin wurde im Gästesektor ziemlich häufig Pyros gezündet, was doch ein wenig richtiges Fussball-Feeling aufkommen liess. Selbst im Heimsektor war das rote Feuer Teil der (sonst eher schlechten) Stimmungsmache. Auf dem Platz wurde uns passend zur durchzogenen Stimmung auch ein eher anspruchsloser Match gezeigt - wenig gute Szenen, selten voller Einsatz und 4 Tore, von welchen nur das letzte Sehenswert war (Eigentor von Rapid in der 90. Minute). Auffallend: ab ca. der 80. Minute begannen die Wiener bereits mit dem zusammenräumen des Materials und abhängen der Zaunfahnen. Obwohl zu diesem Zeitpunkt erst 1:1 war und augenscheinlich nichts in der Kurve oder sonst wo passiert ist.

Ist dies wirklich der Fussball den wir in Zukunft sehen wollen? Spiele von Mannschaften mit vielen Stars aber ohne Charakter, in langweiligen und immer gleichaussehnden Stadien mit künstlicher Stimmung und viel Werbung und Show? Meine Antwort ist ein klares und lautes: NEIN! Fussball darf nicht zum Spielball von Investoren, Firmen und Events verkommen. Wir wollen keine VIP-Sektoren, in denen die Besucher während des Spiels nicht auf den Platz schauen sondern Geschäfte abwickeln. Wir wollen keine Fanartikel, die mehr Werbung für eine Firma als für den Verein sind. Wir wollen keine Stadionsprecher die einem ins Ohr brüllen und dabei krampfhaft versuchen die Stimmung zu lenken.
Fussball heisst Emotionen, Leidenschaft, Liebe, Freiheit... Wir wollen im Stadion stehen, unsere Mannschaft unterstützen und uns mit ihr identifizieren, dabei ein günstiges Getränk in den Händen halten und uns je nach Resultat freuen oder ärgern, usw.

Doch wie erreichen wir sowas? Nun ja, ich bin weder ein Wirtschaftsexperte noch sonst Spezialist für solche Fragen, auf Details kann ich somit keine guten Antworten geben. Aber die Stossrichtung ist für mich klar: Zum einen muss der Fussball wieder im Zentrum stehen und durch keine fussballfremde Zusätze "aufgewertet" werden. Die Zuschauer sollen nicht wegen Konzerten, Ladysnights, Cheerleader und sonstigen Events ins Stadion kommen, sondern wegen den 22 Männern und dem runden Ding auf dem Platz. Mir ist bewusst, dass dadurch die Zuschauerzahlen wieder sinken würden, doch dies würde sich auch kleinerer und rentablerer Stadien nach sich ziehen. Der heutige Gigantismus bei vielen Vereinen ist eine Hauptursache für ihre finanziellen Probleme. Würden die Vereine und deren Teppichetagen sich nicht selber versuchen ein grosses Denkmal zu setzen sonder für die Realität zu bauen (wie zuletzt ziemlich gut vom FC Thun umgesetzt) ginge es vielen besser. Auch müssten die Reglements angepasst werden, damit kleine Vereine nicht gezwungen sind neue Stadien zu bauen, wenn die alten noch längst reichen (z.B. Aarau).
Zum anderen müsste das finanzielle Ungleichgewicht zwischen den Vereinen verkleinert werden. Hier sehe ich vor allem das Potenzial bei den Spielerlöhnen und den Prämien. Spieler wie Messi sind unbestritten Weltklasse, aber ein Lohn von 33 Millionen Euro pro Jahr ist einfach unrealistisch und in keinem Verhältnis. Gute Leistung soll auch entsprechend entlohnt werden, jedoch nicht mit Summen, die jenseits von gut und böse sind. Das gleiche gilt für die Prämien in Champions Leauge und ähnlichen Wettbewerben. Selbst wenn man gnadenlos Untergeht in einem Spiel verdient der Verein mehr als andere das ganze Jahr zur Verfügung haben. Das sorgt je länger je mehr für ein Ungleichgewicht und wird den Fussball zerstören.

Nun, man könnte mir jetzt vorwerfen, ich sein ein Träumer und wolle den Kapitalismus abschaffen. Ja, eventuell möchte ich das, denn nicht nur im Fussball sondern auch im sonstigen Leben sehe ich aufgrund der heutigen Praxis immer mehr Probleme. Doch dies ist ein Thema das zu komplex ist um es überhaupt richtig aufzugreifen. Ich sage nicht ich hätte DIE Lösung... ich sage nur ich hätte eine Idee.

Am Tag danach, fand ich mich in einer anderen, besseren Welt wieder. Ein Ort, wo Fussball noch Fussball ist. Ein Ort, wo man nicht auf Plasikstühlen sitz, sondern bequeme Holzbänke vorfindet. Ein Ort wo nicht jeder Platz vom Wetter geschützt ist und noch richtige Stehplätze vorhanden sind. Ein Ort, der keine Yuppies, Tussis und ähnliches Gesocks anzieht sondern einfach wahre Fussballfans. Kurz, ein Ort, der den Namen Fussballstadion wirklich verdient: Städtisches Stadion an der Grünwalder Strasse.



Ein Spiel der Regionalliga Süd zwischen den Amateuren von Bayern München und des Freiburger SC stand auf dem Programm, wobei hier definitiv das Stadion der Star war. Für günstige 5€ erstanden wir uns ein Ticket für den Stehplatzbereich (bei den nicht anwesenden Gästen) und durften dann sogar auf die Haupttribüne. Hier erlebten wir 90 Minuten lang genau das was wir wollen! Fussball pur ohne störende Zusätze. Obwohl hier die Jungend-Mannschaften eines sehr grossen und eines eher kleinen Bundesligaverein aufeinander traffen, war hier noch das Gefühl für den Fussball vorhanden, wie das noch sein sollte, den Geld zählt hier noch überhaupt nicht zu den wichtigen Faktoren. Auch aufgrund dieses Spiels habe ich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht aufgegeben!

Und als kleines Dessert hier noch die Bilder aus dem Münchner Olympiapark, welchen wir vor dem Spiel in Salzburg besucht haben. Ein wunderbares Stadion, in welchem ich gerne einmal ein Spiel erlebt hätte...



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